Fotofehler

Dem Wesen der Fotografie umweht immer die Aura der Wahrheit. Das Abbild ist, so Roland Barthes, nicht das Gegenwärtige, sondern zeigt die Spuren der real passierten Vergangenheit.

Die Besonderheit der Fotografie liegt demnach darin, dass die Technik und die Chemie eine unmittelbare physische Verbindung zwischen dem Gegenstand und dem Abbild herstellt. Die Lichtstrahlen, welches ein Objekt reflektiert, werden in der Fotografie direkt auf das lichtempfindliche Material übertragen. Es ist die Vorstellung, dass die Fotografie es ermöglicht die Spuren der Vergangenheit dauerhaft einzufangen, was sie so erfolgreich macht. Beim Betrachten eines Fotos schauen wir in erster Linie nicht auf das Foto als solches, sondern viel mehr auf das gezeigte Ereignis oder die abgelichtete Person. Die Funktion des Mediums Fotografie ist es, seine eigene Medialität aufzuheben. Die Fotografie wird nicht als Deutung der Wirklichkeit sondern vielmehr als tatsächlicher Teil der Wirklichkeit betrachtet.

Erst wenn die Technik versagt, oder das Material schadhaft ist, wird die Materialität der Fotografie als ein Bild der Technik sichtbar. Ein Sprung durch das Negativ, das Verschwinden des Motivs durch Ausbleichen oder erkennbare Pixel und Verwischungen in der digitalen Fotografie lassen die abgebildete Realität hinter dem Medium der Fotografie zurück treten. D.h. erst der Fehler deckt die Materialität der Fotografie auf. Die Geschichte der Fotografie seit ihren Anfängen um 1839, ist auch immer eine Geschichte des Scheiterns. Seit den ersten fotografischen Verfahren hatte man es immer mit Materialien zu tun deren chemische Aktivität weder vorhersehbar noch gänzlich kontrollierbar war.  Die Berichte über entstandene „Misserfolge“ bzw. „Fehler“ bringen auch zum Ausdruck, dass bei der Erzeugung des fotografischen Bildes immer mit der Eigendynamik des Instrumentariums zu rechnen ist. Das Erstaunen über das misslungene Ergebnis war nicht immer mit der persönlichen Ungeschicklichkeit zu erklären, sondern man führte es auch immer wieder dem Zufall zu. Dem Fehler ist die menschliche Urheberschaft also nicht oder nicht eindeutig erkennbar.

Das Spiel zwischen Wahrheit und Fiktion, zwischen Falsch und Richtig, zwischen dem Perfekten und dem Fehlerhaften ist Thema der Arbeiten „Fotofehler“. Gerade die digitale Fotografie schafft es – auch durch die technisierte Bildbearbeitung – die vermeintliche Realität immer perfekter zu gestalten. Und trotz der hochentwickelten Technik versagt  das System regelmäßig und erst mit dem Auftreten eines Fehlers wird das Medium selbst, der technische Ablauf dahinter und somit die Ambivalenz zwischen Realität und Konstrukt sichtbar.

Mag. Frauke Kreutler, Kunsthistorikerin